Aufrüstung am Bodensee

Flag Metamorphoses / Aufrüstung am Bodensee

Sandra Wolf, Zeppelin-Museum Friedrichshafen, März 2008

In: Nichts zu deklarieren / Nothing to declare. 4. Triennale zeitgenössischer Kunst Oberschwaben, Ausstellungskatalog, Verlag für moderne Kunst, Nürnberg 2008.

Seit 2005 arbeitet die Künstlerin Myriam Thyes an dem Projekt Flag Metamorphoses, einer wachsenden Serie von Flash-Animationen. Alle Animationen zeigen verschiedene Länderflaggen und identitätsstiftende Symbole, die faszinierende Synthesen eingehen. Thyes lädt von Beginn des Projektes an auch andere Künstlerinnen und Künstler dazu ein, Länderansichten in Flaggenanimationen beizutragen. Auf diesem Weg nähert sich das Gesamtprojekt Flag Metamorphoses der Vielfalt von Ansichten und Beziehungen zwischen Nationen und Identitäten an.

Das dynamische Werk erhält im Rahmen der Triennale einen weiteren Mosaikstein: Mit dem Beitrag Aufrüstung am Bodensee hat Myriam Thyes die Bodenseeregion mit ihren Länderbeziehungen und deren gemeinsame Geschichte ins Visier genommen. Besonders der die Region prägende Barockstil und die traditionsreichen Technologiefirmen sind in ihre neue Arbeit eingegangen. Die Künstlerin verwendet bewusst allgemein bekannte Bilder, die den Bewohnern der Bodenseeregion selbstverständlich erscheinen. Die Motive stammen aus der Zeitspanne vom Konzil im Konstanzer Münster im 15. Jahrhundert bis zur Rüstungsproduktion Friedrichshafens im Zweiten Weltkrieg. Die Künstlerin greift das Konstanzer Konzil insbesondere mit dem Kirchenreformer Jan Hus auf, der vom Konzil 1415 als Ketzer zum Tode verurteilt wurde. Das Bild aus der Richentaler Chronik des zusammen mit seinen Schriften auf dem Scheiterhaufen verbrannten Hus zeigt, wie damals mit allen Mitteln um die kirchliche Vormachtstellung gekämpft wurde. Zudem greift sie den überlinger Stollen mit seiner Zwangsarbeitervergangenheit auf: In einer Lore verbrennt eine Frau aus einer Fegefeuer-Darstellung im überlinger Stollen und wird zusätzlich von Zahnrädern bedroht. Myriam Thyes setzt regionale historische Bilder der Zerstörung und Verfolgung und deren rechtfertigende Ideologien nebeneinander und ergründet auf diese Weise auch den heutigen Anblick der Region.

 

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